Interview
Maylin Hausch
und Daniel Wende
Q:
Ihr habt die komplette vergangene Saison aussetzen müssen. Könnt
ihr noch einmal zusammenfassen, was alles passiert ist?
Daniel:
Es ging nach der vorigen Saison los als wir beide die
Bundeswehrlehrgänge absolvieren mussten. Das war im April/Mai und da
ist der Stiefpapa von Maylin verstorben. Völlig plötzlich, was uns
beide extrem geschockt und runtergezogen hat. Wir waren einfach nicht
mit dem Kopf beim Eislaufen. Dazu kam, dass mein Papa dann kurz
danach im Juni einen Herzinfarkt hatte und es wurden ihm five Stents
eingesetzt. Und das hat mich dann, gerade nachdem was mit Maylins
Stiefpapa passiert ist, auch geschockt. Ich war mehr in Essen als
hier. Es kam so viel zusammen, und wir haben dann erst im August mit
dem Training begonnen. Wir haben uns gesagt, dass wir versuchen
wollen z.B. bei der NRW-Trophy und die Deutschen Meisterschaften zu
laufen und wir haben angefangen. Dann kamen die Probleme mit meinem
Rücken. Ich hatte ständig Rückenprobleme. Anfang Herbst wurde eine
MRT gemacht und man hat gesehen, dass es Bandscheibenvorwölbungen
waren und daraus wurde dann erst ein Bandscheibenvorfall. Im Januar
wurde eine Kontroll-MRT gemacht und es wurde noch ein zweiter
Bandscheibenvorfall festgestellt. Es war irgendwie die Seuche drin in
der ganzen Saison. So mussten wir uns entscheiden, die Saison
auszusetzen weil es nicht lief, weil immer irgendwas war. Wir haben
dann wieder angefangen, ich habe ausgesetzt mit dem Training, wir
haben wieder angefangen und dann hatte ich wieder Schmerzen und
musste wieder aussetzen. Dann habe ich noch Physio gemacht und wir
dachten, dass es nun doch geht. Aber dann ging es doch wieder nicht.
Also es war ein Hin und Her und wir haben uns Anfang des Jahres dazu
entschlossen, dass wir es einfach lassen diese Saison. Im April habe
ich jetzt eine Reha gemacht um die Muskulatur aufzubauen und fit zu
werden. Jetzt sind wir vom Kopf her wieder mit dabei und auch der
Körper fühlt sich ganz gut an. So dass wir jetzt sagen "Okay,
das Ziel Olympische Spiele wollen wir packen!"
Q:
Wie nah wart ihr dran, alles hinzuschmeißen und wie habt ihr die
Kraft und Motivation gefunden, doch weiterzumachen?
Maylin:
Wir waren sehr nahe dran aufzuhören. Zu dem Zeitpunkt als mein
Stiefvater gestorben ist, war für mich eigentlich die Welt
untergegangen. Und als dann auch noch das mit Daniels Papa passiert
ist ... uns ist so viel widerfahren. Dann das mit Daniels Rücken.
Bei den Bandscheiben wusste ich einfach, dass man das nicht wieder
reparieren kann. Denn wenn eine Bandscheibe kaputt ist, dann ist sie
kaputt. Aber irgendwann hat uns das einfach so gefehlt, dass wir
gesagt haben "eigentlich wollen wir schon nochmal laufen!"
Wir haben uns dann beide ziemlich gut motivieren können. Bei der
Reha, die Daniel gemacht hat, hat man wirklich wieder Fortschritte
gesehen und dass es vielleicht einfach doch noch möglich ist, dass
er mich nochmal heben kann. Paarlaufen ohne Hebungen ist ja ein
bisschen schwierig (lacht). Aber zu diesem Zeitpunkt als wir gesagt
haben, wir laufen diese Saison gar nichts mehr, da war eigentlich
schon auch klar, dass wir es nochmal probieren.
Q.
Wie hat euch dieses harte Jahr verändert? Was habt ihr über euch
selbst gelernt?
Daniel:
Gute Frage. Es hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Weil wir
gemerkt haben, auch durch den Tod und die Herzinfarkte, dass es noch
Wichtigeres gibt als Eislaufen. Dass wir auch Familie haben und dass
man auf sich aufpassen muss und nicht nur an den Sport denkt. Es hat
uns privat noch enger zusammengebracht. Wir haben trotzdem gemerkt,
dass uns noch was fehlt irgendwie. Wie Maylin schon gesagt hat...
einfach aufzuhören.....
Maylin:
Vor
allem wie wir aufgehört haben.
Daniel:
Ja, ohne Wettkämpfe und ohne einen schönen Abschluss zu haben. So
einfach aufzuhören, das konnten wir uns nun auch nicht vorstellen.
Q:
Wie war das Training in Detroit? Wie lange wart ihr dort? Wie geht es
euch jetzt?
Maylin:
Wir waren nur 8 Tage in Detroit und das Training dort lief perfekt.
Wir haben mit Anjelika Krylova hauptsächlich das Kurzprogramm
aufgebaut. Es hat total Spaß gemacht und sie auch vor allem hat
Sachen aus uns rausgekitzelt, die bisher in uns geschlummert haben.
Normal war es bei uns halt immer Anlauf zum Sprung - Sprung, zum
Beispiel. Sie hat nun einige Sachen eingebaut, wo direkt vor dem
Element noch irgendein Schnickschnack ist. Dort haben wir auch wieder
langsam mit Hebungen begonnen und mit allem ... und bisher sagt
Daniels Rücken nichts Schlechtes.
Daniel:
...fühlt sich ganz gut an.
Q:
Maylin, du hattest zuvor ja auch Probleme mit dem Fuß?
Maylin:
Ja, es kam wohl vom Twist, von einem Fehler in der Technik. Weil ich
nicht mit dem Sprung eingehakt habe, sondern dagegen. Jetzt haben wir
vor allem keinen Dreifach-Twist mehr gemacht seit einer Weile. Es
sieht wohl so aus, dass die Technik jetzt besser ist. Aber genau
sagen kann ich es erst, wenn wir es wirklich wieder regelmäßig
machen.
Daniel:
Ich denke, uns hat die Woche auch gut getan, weil wir wieder mal
woanders waren und dann auch mit anderen Paaren zu tun hatten. Zum
Beispiel hat ja die Japanerin (Narumi Takahashi, WM-Dritte 2012 mit
Mervin Tran) jetzt einen neuen Partner und die haben wir dort
trainieren sehen. Das war interessant und auch ein amerikanisches
Paar. Das motiviert einen dann auch, einfach zu sehen, was machen die
anderen, das können wir auch noch oder können wir es besser oder
wie auch immer...das ist ja immer eine Motivation. Es hat auch
einfach Spaß gemacht, mit Anjelika zu arbeiten, weil sie wirklich
genial ist und auch mit Pasquale (Camerlengo). Es war auf jeden Fall
ein Supereinstieg in die Saison.
Q:
Habt ihr geplant, noch einmal rüberzufliegen im Sommer?
Daniel:
Jetzt müssen wir erst einmal schauen, dass wir die Elemente wieder
richtig fit kriegen. Das ist jetzt erst einmal das Wichtigste. Die
Programme stehen soweit und jetzt geht es darum, die ganzen Sachen
wieder zu festigen und zu sichern. Man wird sehen, ob dann vielleicht
im August nochmal Zeit ist und ob dann noch ein paar Feinheiten
gemacht werden müssen. Aber es kostet natürlich auch eine Menge
Geld, obwohl uns die DEU geholfen hat. Trotzdem ist es für uns noch
teuer, denn es ist ja nicht um die Ecke.
Maylin:
Ich könnte mir eher vorstellen, dass entweder Anjelika und Pasquale,
je nachdem wer zur Nebelhorn-Trophy kommen wird und wie es möglich
sein wird, noch ein oder zwei Tage dranhängen. Dass man das dann
nutzt.
Q:
Was könnt ihr uns über die Programme erzählen?
Daniel:
Das Kurzprogramm ist ganz neu. Da haben wir dieses Mal eine ruhigere
Musik gewählt. Eigentlich ist das Stück von Guns N' Roses: November
Rain. Aber es ist in der Fassung von David Garrett , also mit Geige
und E-Gitarre. Es ist eigentlich das erste Mal, dass wir so ein
bisschen was "Langsameres" laufen, etwas melodischeres,
obwohl die E-Gitarre natürlich noch ganz schön Pep reinbringt. Wir
mögen dieses Programm.
Q:
Wer hat die Idee gehabt?
Daniel:
Ich fand das Lied schon damals schön in der Originalversion, es ist
ja schon ein bisschen älter. Und dann habe ich mir das von David
Garrett angehört und fand es toll. Ich habe es Maylin vorgespielt
und sie fand es toll und Herr Fajfr auch. Es ist schön und ich habe
das Gefühl, dass uns das liegt und wir das gut rüberbringen. Bisher
haben wir nur positives Feedback bekommen. Die Kür haben wir
behalten und wir haben nur ein paar Kleinigkeiten verändert. Den
Anfang fanden wir nicht mehr so gut und ein bisschen was im
langsameren Teil. Und ich denke, dass wir an den Kostümen noch etwas
machen werden. Es gibt auf jeden Fall noch was zu tun.
Q:
Wo seht ihr eure Stärken als Paar auf dem Eis?
Maylin:
Ich denke, dass wir sehr gut zusammen harmonieren. Von den
technischen Elementen her hoffe ich, dass wir den dreifachen Twist
auch im Wettkampf zeigen können. Und ansonsten denke ich, dass die
Hebungen unsere Stärken sind.
Daniel:
Wir sind ein erwachsenes Paar auf dem Eis. Es gibt ja viele Paare, wo
der Mann groß und das Mädchen noch ein Kind ist. Wir haben schon
relativ viel Erfahrung und ich denke, dass es für die Preisrichter
und Zuschauer vielleicht ein bisschen schöner und harmonischer
aussieht, wenn ein „erwachsenes Paar“ auf dem Eis läuft. Ich
könnte mir vorstellen, dass wir da schon ein bisschen mehr "Paar"
rüberbringen.
Maylin:
Zum
Beispiel bei den Japanern, da ist sie schon 21, aber sie sieht aus
als wäre sie so alt wie Annabelle (Prölß). Der Unterschied ist
krass.
Daniel:
Ja, ich finde dass es für die Leute vielleicht schöner ausschaut,
wenn man mehr wie ein "Paar" aussieht. Wir sind ja nun auch
privat ein Paar und wir wollen das auch ein bisschen auf das Eis
bringen.
Q:
Woran wollt ihr besonders arbeiten?
Maylin:
Derzeit auf jeden Fall definitiv noch an den Elementen.
Daniel:
Klar, die Elemente müssen wir jetzt einfach wieder reinkriegen. Es
muss diese Selbstverständlichkeit wiederkommen. Im Moment ist alles
noch ein bisschen vorsichtig und verhalten, weil wir so lange
aussetzen mussten. Wir arbeiten daran, wieder in den Elementen
sicherer zu werden und auf dem Eis die Programme trainieren,
reinbekommen, dass das alles harmonisch läuft.
Q:
Wie sieht die Saisonplanung aus?
Maylin:
Größtes Ziel sind natürlich die Olympischen Spiele und davor das
Ziel, die Norm dafür zu erreichen...
Daniel:
Sonst wird das nichts mit Olympia (lacht).
Maylin
(lacht): ... und das Ziel davor ist, drei Wettkämpfe zu benennen.
Daniel:
...in den Herbstwettkämpfen gut laufen und die Punkte schaffen. Das
ist das Wichtigste. Und dann wird man sehen, welches deutsche Paar
neben Aljona und Robin gehen darf, welches Team besser ist, welches
Team bessere Punkte hat. Und bei der Deutschen gut zu laufen und zu
den Europameisterschaften zu gehen. Da haben wir ja drei Startplätze.
Nach den Olympischen Spielen wird man dann sehen. Die
Weltmeisterschaften sind natürlich auch noch sehr reizvoll. Japan
wäre auch nochmal toll. Schau'n wir mal.
Q:
Wie sehr freut ihr euch darauf, wieder Wettkämpfe zu laufen?
Daniel:
Da hat was gefehlt irgendwie. Ich freue mich total und hoffe, dass
das dann auch mit der Nebelhorn-Trophy schon funktioniert.
Maylin:
Es war schon komisch. Denn es war ja nicht so, dass wir gar nicht
trainiert haben. Wir waren ja immer in der Halle und so. Wir haben
halt weniger gemacht. Ich bin zum Beispiel nur gesprungen oder so.
Und dann zu sehen, wie die anderen sich auf Wettkämpfe vorbereiten,
das war schon ein bisschen komisch. Man war so ausgemustert.
Daniel:
Ja, und einfach das ganze Drumherum. Von der Auslosung über die
Trainings, über Wettkampf und dann Bankett und so. Das ist schon
alles toll. Wenn man dann mal ein Jahr nicht dabei ist, dann merkt
man was da so alles fehlt. Da sind wir heiß darauf (lacht).
Maylin:
Was man eigentlich fast so als Selbstverständlichkeit hinnimmt...
Daniel:
.... da sieht man, jetzt fliegen die dort oder dorthin und da wäre
ich jetzt auch gerne. Da sitzt man dann da und denkt, das wäre jetzt
schon toll.
Q:
Daniel, wie würdest du Maylin beschreiben?
Daniel:
Sie ist das perfekte Gegenstück zu mir. Hm, wie würde ich sie
beschreiben?! Maylin ist immer hilfsbereit... naja, es passt halt
einfach bei uns. Wenn ich einen Ausraster habe, wenn mir etwas gegen
den Strich geht, dann holt sie mich wieder runter. Meistens schafft
sie es (lacht) und andersrum ist es genauso. Sie ist total ehrgeizig
und trotzdem liebevoll. Sie ist schwer zu beschreiben.... kreativ!
Viel kreativer als ich, worum es auch immer geht. Wenn es um
Einladungskarten geht oder um alles mögliche... basteln, nähen...
das kann ich halt überhaupt nicht. Ich kann nicht mal zeichnen und
sie kann das. Ich bewundere das.
Q:
Wenn sie auf eine einsame Insel müsste und dürfte nur 3 Dinge
mitnehmen... was denkst du, was das wäre?
Daniel:
Ja mich natürlich (lacht), Figu (ihren Hund) und dann bleibt noch
eine Sache.... vielleicht würde sie ihre Mama noch mitnehmen. Dann
haben wir zwar nichts zu essen, aber wir sind auf jeden Fall zu viert
(lacht).
Q:
Maylin, wie würdest du Daniel beschreiben und was würde er auf die
Insel mitnehmen?
Maylin:
Da muss ich nachdenken.... Also auf dem Eis ist er auf jeden Fall,
das würde ich jetzt mal behaupten, noch ehrgeiziger als ich. Wenn
ein Element nicht perfekt ist, dann sage ich mir, okay dann wird es
vielleicht beim nächsten oder beim übernächsten Mal perfekt sein.
Aber wenn es bei ihm nicht sofort perfekt ist, dann geht die Welt
schon gleich unter… Was manchmal nicht so ganz einfach ist fürs
Training. Aber mittlerweile haben wir einen Weg gefunden, dass das
gut funktioniert. Im privaten Leben macht er sehr, sehr viel für
mich. Zum Beispiel koche ich meistens und dann macht er den Abwasch,
denn das mag ich gar nicht.
Daniel:
Sonst bekäme ich nichts zu essen (lacht).
Maylin:
(lacht) Er ist sehr hilfsbereit und versucht mich wirklich auf Händen
zu tragen, was ich sehr genieße. Und auf eine einsame Insel würde
er mich natürlich mitnehmen, wahrscheinlich auch Figu und belgische
Schokolade.
Q:
Wo seht ihr euch in fünf Jahren?
Daniel:
Das wissen wir selbst noch nicht so genau. Also in fünf Jahren
werden wir wohl nicht mehr aktiv laufen, zumindest keine Wettkämpfe.
Aber vermutlich auch keine Shows. Wir wissen noch nicht so richtig,
in welche Richtung wir beruflich gehen werden. Wir haben zwar ein
paar Ideen, aber es ist alles noch sehr vage. Es kann Oberstdorf
sein, es kann Stuttgart sein, es kann Essen sein, es kann aber auch
ganz woanders sein. Es ist schwer zu sagen. Es kommt darauf an, für
was wir uns beruflich entscheiden. Wahrscheinlich werden wir auch
nicht mehr nur zu dritt sein, sondern Nachwuchs haben.
Q:
Dass es nach Sotchi noch weitergeht kann nicht ausgeschlossen werden?
Daniel:
Das kann nicht ausgeschlossen werden. Gerade nach dem einen Jahr
Pause und wenn jetzt alles gut läuft und die Gesundheit macht mit,
warum sollte man dann nicht noch ein Jahr dranhängen. Das lassen wir
auf uns zukommen und werden das nach der Saison entscheiden.
Q:
Privat steht eine große Veränderung an…
Daniel:
Privat gibt es tatsächlich eine große Veränderung, denn wir
heiraten am 6. Juni standesamtlich und am 8. Juni kirchlich, beides
in Maylins Heimatstadt Stuttgart! Also wird es in der kommenden
Saison ein "neues Paar" in Deutschland geben: Maylin und
Daniel Wende. Wir freuen uns schon unglaublich darauf mit unseren
Familien und Freunden diesen großen Tag zu feiern und die Hochzeit
wird uns auch sehr viel Kraft für die kommenden sportlichen Aufgaben
geben!
Q:
Wir
gratulieren euch herzlich und wünschen euch für euren weiteren
gemeinsamen Lebensweg auf und neben dem Eis das Allerbeste!